FIBROMYALGIE
Was ist das?
Ich habe Fibromyalgie
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Fibromyalgie (M79.7 seit ICD-10-GM Version 2005; zuvor M79.0) | ||
ICD-10 online (WHO-Version 2013) |
Die Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) ist eine schwere chronische
und nicht heilbare Erkrankung.
Sie ist durch weit verbreitete Schmerzen mit wechselnder Lokalisation in der Muskulatur, um die Gelenke und Rückenschmerzen und auch Druckschmerzempfindlichkeit (dazu weiteres unter Diagnose)
sowie Begleitsymptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Morgensteifigkeit, Konzentrations- und Antriebsschwäche, Wetterfühligkeit, Schwellungsgefühl an Händen, Füßen
und Gesicht und viele weitere Beschwerden charakterisiert. Fibromyalgie ist nicht mit dem Begriff „Weichteilrheumatismus“ gleichzusetzen. Eine wichtige Differentialdiagnose ist jedoch
die Rheumatoide Arthritis.
Der Kodierungsschlüssel wurde in der ICD-10-GM Version 2005 auf M79.7 geändert (bis dahin galt der Schlüssel M79.0).
Die Bezeichnung Fibromyalgie ist eine dreiteilige Zusammensetzung aus dem lateinischen Wort fibra‚Faser‘ und den griechischen Wörtern μυς mys ‚Muskel‘ und άλγος álgos ‚Schmerz‘. Die veraltete Bezeichnung lautet Generalisierte
Tendomyopathie, abgekürzt GTM.
Symptome
In der Leitlinie (siehe Abschnitt Leitlinie), die von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) koordiniert wird, wird zwischen zur Diagnose erforderlichen Hauptsymptomen und häufig vorliegenden Nebensymptomen
unterschieden.
Hauptsymptome: chronische Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, andauernde Müdigkeit(allgemeine Schwäche, Konzentrationsstörungen) bis hin zur Erschöpfung
(Fatigue-Syndrom) sowie Schlafstörungen. Von den Schmerzen besonders
betroffen sind Rücken, Nacken und Brustkorb sowie die Gelenke in den Armen und Beinen, Kopfschmerzen bis hin zu Migräne. Die Symptome sollten über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten
aufgetreten sein.
Nebensymptome: Zu den häufig vorzufindenden Begleitsymptomen gehören Schwellungsgefühle in den Händen, Füßen oder dem Gesicht, Morgensteifigkeit, Reizdarm, Reizmagen, Kopfschmerzen, Trockenheit bzw. Überempfindlichkeit der Schleimhäute
sowie vermehrte Ängstlichkeit und Depressivität.
Während für einige Fibromyalgiepatienten vor allem die Schmerzen im Vordergrund stehen, klagen andere
hauptsächlich über Müdigkeit, Verspannungen, Konzentrationsstörungen und unnatürlich lange Erholungsphasen nach körperlichen, geistigen oder emotionalen Belastungen. Wissenschaftlich nachgewiesen
wurden eine erhöhte Geräusch-, Licht- und Kälteempfindlichkeit.
Bei jedem Patienten können unter Umständen ferner diverse vegetative Beschwerden auftreten, beispielsweise Herzrhythmusstörungen bis hin zu Herzanfällen, starke
Schwindelanfälle, empfindliche Haut (überschießende Reaktionen bei Berührung durch nahestehende Personen), Hautexantheme, entzündliches Gefühl im ganzen Körper, Schmerzen in den Nieren,
vermehrte Venenzeichen, Haarausfall, Atembeschwerden, diffuse Schmerzen im Brustbereich in Verbindung mit Atemnot, Infektanfälligkeit, leicht erhöhte Temperatur, leicht erhöhte Blutsenkung, vereinzelt wenige Banden im Liquor (Nervenwasser), was aber noch nicht
als pathologisch gilt, Taubheitsgefühle, nervöse Extremitäten (restless legs), Krämpfe in der Beinmuskulatur, Händezittern, Reizblase, Reizdarm, Periodenschmerzen, Nachlassen des sexuellen Interesses, Impotenz, Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Kloßgefühl im Hals, Zahnschmerzen, Schmerzen in der Kaumuskulatur, Störungen des
Gehörsinns, Blindheit, Tinnitus (Ohrgeräusche), Neigung zu
vermehrter Schweißbildung, Wassereinlagerungen, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Wortfindungsstörungen, Schmerzen im
Wirbelsäulenbereich, wechselnde Schmerzbereiche z. B.: an einem Tag rechte Hand und linker Fuß, am folgenden Tag linker Arm und rechtes Bein. Depressionen und Erschöpfungszustände sowie Müdigkeit, Mattigkeit,
Muskel- und Gelenkschmerzen am ganzen Körper können ebenfalls mit der Erkrankung einhergehen.
Organ- und Gewebeschäden sind bisher nicht nachweisbar, obwohl massive Störungen in der Funktion der inneren Organe auftreten können, insbesondere zu Beginn der Erkrankung. Die Fibromyalgie kann
plötzlich ausbrechen, z.B. nach einer grippeähnlichenErkrankung, schleichend einsetzen, z.B. bedingt durch Burnout, durch übermäßige körperliche Anstrengung über Jahre,
Überreizung des Nervensystems.
Krankheitsverlauf
Der Erkrankungsbeginn ist häufig schleichend und unauffällig. Am Anfang stehen meistens unspezifische Befunde wie Abgeschlagenheit, Schlafstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden. Später kommen
Schmerzen im Bereich der Lenden- oder – etwas seltener – der Halswirbelsäule hinzu. Erst danach entwickeln sich die typischen Schmerzen in Armen und Beinen sowie weitere begleitende Symptome
und Beschwerden. In der Regel verschlimmert sich die Krankheit nicht kontinuierlich. Heftige Schmerzattacken werden von schmerzfreien Intervallen abgelöst. Kälte, Nässe oder äußere Belastungen,
auch starke Sonneneinstrahlung, können zur Verschlimmerung führen. Bis sich das Vollbild der Erkrankung herausgebildet hat, dauert es durchschnittlich sieben bis acht Jahre. Die einzelnen Schübe und
akuten Phasen folgen keinem bestimmten Muster und sind deshalb nur schwer vorherzusehen, jedoch treten sie besonders häufig nach akuten Infektionskrankheiten auf (Grippe, Lungenentzündung, Lyme-Borreliose o.ä.). Stress ist jedoch ebenfalls ein
ernstzunehmender Faktor. Viele Betroffene klagen über vermehrte Symptome (körperlich sowie psychisch), nachdem sie Stress hatten. Hierbei ist es egal, ob es „positiver Stress“ oder „negativer
Stress“ ist. Aus diesem Grund ist auch Stabilität für Betroffene äußerst wichtig.
Zu einer krankheitsbedingten Zerstörung der Knochen – wie etwa bei einer rheumatoiden Arthritis – kommt es durch die Fibromyalgie selbst in der Regel nicht, jedoch kann die teilweise massive
Bewegungseinschränkung zu Kapselschrumpfungen und anderen irreparablen Folgen im Gelenkapparat führen. Dies ist allerdings selten.
Diagnose
Die Diagnose einer Fibromyalgie gestaltet sich recht schwierig, da sowohl Röntgenbilder als auch Laborwerte keinen eindeutigen Aufschluss geben. Eine Diagnosekann somit letztendlich nicht immer sicher gestellt werden.
Meist werden „tender points“ (engl. etwa: empfindliche Stellen) zur Hilfe genommen (ACR [American College of Rheumatology]-Klassifikationskriterien 1990). Besteht bei 11 oder mehr von 18 „tender
points“ eine erhöhte Druckschmerzhaftigkeit, so liegt der Verdacht auf Fibromyalgie nahe. Diese Diagnosepunkte liegen zumeist gelenknah an den Sehnen-Muskel-Ansätzen.
Oft wird die Diagnose erst nach 8–10 Jahren gestellt, so dass es bereits zu einem Vollbild der Erkrankung gekommen ist, bevor der Patient angemessen therapiert wird. Da für die meisten Patienten
bis zur endlichen Diagnose eine relativ lange Zeit vergeht, haben fast alle Betroffene eine regelrechte Ärzte-Odyssee hinter sich. Da einige Betroffene in dieser Zeit als Hypochonderabgestempelt werden, verschlimmern sich nicht selten
Selbstzweifel und Symptome.
Diagnosekriterien:
Fibromyalgie-Patienten haben aufgrund der problematischen Diagnose oft Schwierigkeiten
als arbeitsunfähig anerkannt zu werden, was nicht selten zu großen sozialen bzw. finanziellen Schwierigkeiten führt. Die Krankheit
ist nicht tödlich, kann jedoch eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität bewirken.
Ursache
Sowohl die Ursache (Ätiologie) der Fibromyalgie als auch die Mechanismen der Krankheitsentstehung (Pathogenese) sind ungeklärt. Es besteht eine Vielfalt von Befunden, die
genetische, hormonelle, neurophysiologische, psychische und weitere Faktoren betreffen. In der Zusammenschau der Befunde wird derzeit vorwiegend eine Störung schmerzverarbeitender
Systeme im zentralen Nervensystem mit der Folge einer erniedrigten Schmerzschwelle diskutiert.
Hinsichtlich hormoneller und neurophysiologischer Faktoren wird beispielsweise ein Mangel des Neurotransmitters Serotonin, das in der Schmerzverarbeitung und der Regulation des Schlafes eine wichtige Rolle spielt, diskutiert. So wurden bei
Patienten mit einer Fibromyalgie unter anderem im Liquor cerebrospinalis erniedrigte Spiegel an Serotonin-Stoffwechselprodukten festgestellt. Neben Serotonin wird auch die Rolle anderer
Hormone und Neurotransmitter wie beispielsweise Substanz P oder das Wachstumshormon Somatotropin in der Entstehung der Fibromyalgie untersucht.
Bei Patienten mit Fibromyalgie liegen überdurchschnittlich häufig psychische Störungen wie Depressivität und Ängstlichkeit vor. Es ist ungeklärt und Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion,
inwieweit diese psychischen Störungen selber Folge der chronischen Schmerzen sind oder aber die Symptome der Fibromyalgie eine zugrundeliegende psychische Störung reflektieren. In Untersuchungen
konnte bei Fibromyalgie-Patienten ein häufigeres Vorkommen von körperlicher Misshandlung und sexuellem Missbrauch in der Vorgeschichte festgestellt werden.
Studien des NIAMS (ein Bestandteil des „National Institutes of Health“ - National Institute of Arthritis and Muscoskeletal and Skin-Deseases) zeigen bei Fibromyalgie-Patienten einen abnorm
niedrigen Cortisol-Spiegel im Urin. In Brightham, in der Frauenklinik Boston, in Massachusetts und an der University of Michigan Center in Ann Arbor untersuchten Forscher die Regulation und Funktion
der Nebenniere(sie produziert Cortisol) bei Fibromyalgie-Patienten. Menschen, bei denen im Körper zu
wenig Cortisol freigesetzt wird, zeigen viele der fibromyalgietypischen Symptome. Es besteht die Hoffnung, dass diese Studien zu einem besseren Verständnis für die Fibromyalgie-Erkrankung führen
und dass sich somit bald neue Behandlungsmöglichkeiten ergeben.
Obwohl die Ursachen der Fibromyalgie bis heute unbekannt sind, haben Forscher einige Theorien gewonnen und dargelegt. Einige Wissenschaftler gehen von einer primären und sekundären Fibromyalgie
aus, wobei bei der primären Fibromyalgie die Ursachen weitgehend unbekannt sind. Angenommen werden u. a. eine genetische Disposition (Fibromyalgie tritt familiär gehäuft auf, Studien dazu
sind in Vorbereitung), eine gestörte Schmerzverarbeitung und veränderte Schmerzwahrnehmung, hormonelle Störungen, eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse sowie des
Wachstumshormon-Systems, Veränderungen des dopaminergen sowie des Serotoninsystems, psychische Faktoren sowie psychosozialer Stress und eventuell Veränderungen im Immunsystem. Bei der sekundären Fibromyalgie wird davon ausgegangen,
dass eine andere Erkrankung vorausgegangen ist, welche die Fibromyalgie ausgelöst hat, z. B. durch eine Verletzung oder Operation, seelische oder körperliche Traumata und orthopädische
Erkrankungen.
Bei der Fibromyalgie bestehen häufig psychische Symptome wie Depressionen – der Betroffene fühlt sich krank. Es ist bekannt, dass sich bei Fibromyalgie die Regelsysteme der
Schmerzempfindung im Gehirn ändern. Manche Botenstoffe des Gehirns, wie etwa Serotonin, regulieren sich herunter. Dahingegen lassen sich andere, wie die Substanz P (ein bestimmter Schmerzbotenstoff, der
den Schmerz an das Gehirn "meldet"), vermehrt nachweisen. Trotz dieser organischen, das heißt körperlichen Veränderungen des Gehirns ist aber immer noch nicht klar, ob das Fibromyalgiesyndrom
letztendlich eine psychosomatische Erkrankung ist, bei der die Veränderungen der Botenstoffe des Gehirns erst sekundär entstehen, oder ob es sich um
eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns mit der Folge von Schmerzen und psychosomatischen Störungen handelt.
Betroffene
Betroffen sind - je nach Quelle - zwischen 0,6 und 4 Prozent der Bevölkerung, davon sind 85 bis 90 Prozent Frauen. Die Erkrankung beginnt im Allgemeinen gegen Ende 20 und ist mit etwa Mitte 30
voll entwickelt, und hat bei Frauen einen Häufigkeitshöhepunkt im und nach dem Klimakterium. Selten sind auch Kinder und Jugendliche von ihr betroffen; bei alten Menschen könnte sie fälschlicherweise unter
„Altersbeschwerden“ subsumiert werden.
Der Krankheitsverlauf zieht sich meistens über Jahrzehnte hin. Die Heftigkeit der Symptome und der daraus folgenden gesundheitlichen Einschränkungen ist individuell verschieden, in schweren
Fällen aber lebensbestimmend bzw. stark einschränkend bis hin zur dauernden Bettlägerigkeit.
Typisch sind „Patientenkarrieren“, d. h. die Betroffenen haben bis zur Diagnosestellung eine Vielzahl von Ärzten besucht und viele verschiedene,
teilweise überflüssige diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen hinter sich. Aufgrund dieser unklaren Lage haben Betroffene, insbesondere in Ländern mit ausgebautem Sozialsystem,
Schwierigkeiten, ihren Rechtsanspruch im Sozialrecht tatsächlich durchzusetzen. In der Schweiz behandelt das Bundesgericht die Fibromyalgie wie
andere somatoforme Schmerzstörungen (s. I 455/06 v. 22. Januar 2007). Es wird eine Prävalenz(Krankheitshäufigkeit) von bis zu vier Prozent der
Gesamtbevölkerung angenommen.
Behandlung
Die Fibromyalgie ist durch medizinische Maßnahmen nur begrenzt beeinflussbar. Grundsätzlich besteht die Gefahr des Medikamentenmissbrauchs, der Sucht sowie unabsehbarer Folgeschäden durch
Dauermedikation mit diversen Schmerzmitteln.
Ein Behandlungskonzept ist heute die multimodaleTherapie entsprechend den Erkenntnissen der modernen Schmerzforschung. Ziel der Maßnahmen sind hierbei die Erhaltung
oder Verbesserung der Funktionsfähigkeit im Alltag und damit der Lebensqualität sowie die Minderung und/oder Linderung der Beschwerden. Da es sich um ein lebenslang bestehendes Beschwerdebild
handeln kann, werden insbesondere Behandlungsmaßnahmen empfohlen, die von Betroffenen eigenständig durchgeführt werden können (Selbstmanagement), die keine oder nur geringe Nebenwirkungen haben
und deren langfristige Wirksamkeit gesichert sein sollte. So umfasst das heutige Konzept meist eine Patientenschulung, den Einsatz von Medikamenten in Verbindung mit Sport- und Funktionstraining,
physikalischen Therapien sowie Psychotherapie und Entspannungsmethoden.
Medikamente
Die größte Erfahrung besteht mit dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin, das zeitlich befristet zur Therapie chronischer Schmerzen im Rahmen eines Gesamttherapiekonzeptes eingesetzt werden
kann. Zusätzlich oder stattdessen werden nach neuesten Erkenntnissen die Antiepileptika Pregabalin und Gabapentin oder das auch gegen den neuropathischen Schmerz wirksame Antidepressivum Duloxetinverwendet. Aus der Gruppe der Antidepressiva werden auch noch
häufig Fluoxetin oder Paroxetin eingesetzt. Weitere einzelne, aber noch nicht vollkommen
gesicherte Wirkungsnachweise gibt es aus der Gruppe der Antidepressiva für Sertralin, Moclobemid, Venlafaxin, Mirtazapin und Milnacipran. Letzteres hat in den USA sogar eine Zulassung für die Indikation Fibromyalgie erhalten, allerdings keine in Europa.
Für den Einsatz nichtsteroidaler
Antirheumatika (NSAR) liegen keine Hinweise auf eine Wirksamkeit bei Fibromyalgie
vor.
Große Erwartungen richten sich derzeit an das Antiemetikum Tropisetron, welches in mehreren Studien eine Schmerzreduktion von 40 bis 50 % bei etwa 50 bis 70 % der Probanden
zeigte. Die Wirkung hielt bis zu 9 Monate an, ohne dass eine dauerhafte Einnahme erfolgen musste.
Bei den Muskelrelaxantien gibt es nur Wirkungsnachweise für Cyclobenzaprin, welches in Deutschland allerdings nicht erhältlich ist.
Aus der Gruppe der Opioide wurde bisher
nur Tramadoleingehend getestet, welches in Studien die
Schmerzen verringerte und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hatte.
Weitere Wirkungsnachweise gibt es für den Dopaminagonisten Pramipexol, das Neuroleptikum Olanzapin und intravenös verabreichtes Ketamin.
Sporttherapie und Funktionstraining
Das Herz-Kreislauf-System ist bei vielen
Betroffenen nicht sehr leistungsfähig. Ein Herz-Kreislauf-Training, das vorsichtig über einen Zeitraum von Monaten gesteigert wird, kann bei einem Teil der Betroffenen Schmerzen und Müdigkeit
reduzieren und die Lebensqualität verbessern. Empfohlene Ausdauersportarten sind Walking, Radfahren, Schwimmen und Aquajogging.
Auch ein Funktionstraining, bei dem bewegungstherapeutische Übungen in Trocken- und Wassergymnastik gezielt auf Muskeln und Gelenke wirken, verbessert bei einem Teil der Betroffenen die
Situation.
Physikalische Therapien
Eine türkische Studie zeigte eine Wirkung des Stangerbades in Verbindung mit Amitriptylin.
Weiterhin werden Balneo- und Spa-Therapie sowie Massagen angewendet.
Entspannungsmethoden
Entspannungsverfahren wie
die progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Meditation, Taijiquan, Qigong, Lachyoga, und weitere Techniken der Stressbewältigung werden empfohlen.
Naturheilverfahren und Komplementärmedizin
Eine Ganzkörperwärmetherapie (Sauna, Wannenbäder, Thermalbäder) wird bei Fibromyalgie-Patienten häufig angewendet, aber auch eine Ganzkörperkältetherapiezeigt einen kurzzeitigen
Effekt.
Während die Leitlinie in der Vergangenheit Akupunkturnicht empfohlen hat, kann gemäß der Ausgabe 2012 der „zeitlich befristete Einsatz“ erwogen werden. Es handelt sich um
eine evidenzbasierte Empfehlung mit offenem Empfehlungsgrad. Grund war die methodischen Qualität der zugrunde gelegten Studien und der Umstand, das Nebenwirkungen kaum systematisch berücksichtigt
wurden.
Ernährungstherapien
Vegane Rohkost zeigte innerhalb von 6 Wochen deutliche Verbesserungen in verschiedenen subjektiven Parametern der Fybromyalgie
(Morgensteifigkeit, Schmerzen in Ruhe und Allgemeinzustand). Wenn die Patienten ihre normalen Essgewohnheiten wieder aufnahmen kehrten die Symptome zu ihrer ursprünglichen Stärke zurück.
Erfreulicherweise wurden ähnliche Ergebnisse auch erzielt, wenn die Diät nur zum größten Teil aus veganer Rohkost (incl. Leinöl, Karotten- und Gerstengrassaft (s. Quelle)) bestand, so verbesserte
sich der Symptomindex des FIQ bereits nach zwei Monaten signifikant und nach sieben Monaten hatte sich jedes einzelne untersuchte Symptom (z.B. Körperliche Einschränkungen, Depression, Müdigkeit)
gebessert, dies war eines der besten aktuellen Ergebnisse in der Behandlung der Fibromyalgie überhaupt, allerdings gab es keine Kontrollgruppe. Eine größtenteils vegetarische Diät
(Mittelmeerdiät) zeigte keine deutliche Verbesserung. Alle Studien haben aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl, bedingt durch die Begrenztheit von finanziellen Mitteln für ernährungstherapeutische
Forschung nur geringes statistisches Gewicht, zeigen aber deutlich, dass sich ein Versuch lohnen dürfte.
Psychologische Maßnahmen
Verhaltenstherapie wird empfohlen, besonders in
Verbindung mit Hypnotherapie, geleiteter Imaginationund therapeutischem Schreiben.
Differentialdiagnosen
Da es sich bei der Diagnose Fibromyalgie um eine beschreibende Ausschlussdiagnose handelt, müssen zuvor unbedingt andere definierte Erkrankungen ausgeschlossen werden. Wichtig ist hierbei auch
eine sorgfältige psychiatrische Abklärung, da bspw. eine Depression oft übersehen wird.
Schlafmedizinische Aspekte
Die Fibromyalgie wird in der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2,
2005) im Anhang A und in der Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ bei den Schlafstörungen, die assoziiert mit andernorts klassifizierten Erkrankungen auftreten, aufgeführt, weil die Betroffenen wegen ihrer
Beschwerden häufig zum Schlafmediziner überwiesen werden.
Bei der Störung des Schlafs handelt es sich um eine Folge
der Grunderkrankung, die als Ursache der Schlafstörung erkannt und behandelt werden muss. Eine spezifische schlafmedizinische Diagnostik ist regelmäßig nicht erforderlich.
In Einzelfällen wurden Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen entsprechend dem irregulären Typ beschrieben.
Geschichte
Eine Erstbeschreibung der Krankheit gab es schon 1904 unter dem Namen „Fibrositis“. Die Existenz der Fibromyalgie ist insbesondere hinsichtlich ihres allgemein abgrenzbaren Krankheitswertes bis
heute umstritten. Allerdings gibt es durchaus zunehmend Indizien, dass es sich um eine Erkrankung mit organischen Ursachen handeln könnte. Obwohl schon früher zahlreiche, im Einzelnen jedoch
nicht unumstrittene – z. B. hinsichtlich der Spezifität – organische Befunde festgestellt wurden, haben erst moderne bildgebende Verfahren, welche Echtzeit-Einblicke in Bereiche
des Zentralnervensystemsermöglichen, deutliche Abweichungen, z. B. in der Schmerzwahrnehmung, aufgezeigt. Diese Erkenntnisse wurden
verschiedentlich bestätigt. Daher ist die Existenz der Schmerzwahrnehmung in Fachkreisen mittlerweile etwas weniger umstritten, was jedoch nicht für deren Ursache gilt. Auch wenn sich daraus für
die Diagnostik (auf Grund der Kosten) oder die Therapie nicht direkt verwertbare Erkenntnisse bieten, sind die Betroffenen wenigstens den ihnen oftmals entgegengebrachten Vorwürfen (z. B.
Simulation, Hypochondrie, Hysterie) nicht mehr ganz im früher anzutreffenden Umfang ausgesetzt.
Leitlinie
Zur Medizinischen Leitlinie „Fibromyalgiesyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie“ sind mehrere Dokumente verfügbar. Neben einer Lang- und Kurzfassung der Leitlinie gibt es
eine „Patientenleitlinie“ und einen Überblick mit dem Titel „Das Wichtigste in Kürze“, die sich an Menschen mit Fibromyalgiesyndrom und deren Angehörige wendet und ergänzend zum Arztgespräch
Informationen bereit hält.